Pfingsten 2006

Holland / Deutschlandtour

von Rheydt (Mönchengladbach) nach Mannheim am Rhein

(über den kleinen Umweg zur westfriesischen Insel Texel)

... oder wie der Bayer den Norden erlebt ...

Download GPS-Track

 

Es sind Pfingstferien, die Tochter bei der Oma untergebracht, der Urlaub ist beantragt und genehmigt. Nichts spricht gegen unsere zweite große Slowenien-Radtour und Bergsteigen. Die Tage gehen dahin, wir hocken zu Hause vor dem Wetterbericht, schauen im Internet nach, Webcams, Berichte, Mist! Schnee auf 800m, Regen Regen Regen. Langsam wird klar, Slowenien ist gestrichen, eine Alternative muß her.

So beschlossen wir einfach nach Holland zu fahren, da hier das Wetter ordentlich sein soll, orakelte www.wetter.com und sprach die Wahrheit.

Die gesamte Strecke über 1028 km reine Radelkm, ohne Fähren und Züge, in 10 Tagen und 46920 kcal, welche der beleibte Büromensch auf dem Rad verbrannt hat.

 

Tag 1

Rheydth -> Lottum

Eine Zugfahrkarte und eine radelfreundliche Verbindung nach Rheydt bei Mönchengladbach war problemlos zu bekommen (wer mit dem Rad viel Zug fährt, weiss das zu schätzen, wenn mal alles klappt) und so kamen wir bereits am frühen Nachmittag in Rheydt an. Die ehemalige Grenze zu Holland ist nun ein Naturschutzgebiet (Schwalm) und so waren wir in Nullkommannichts in Holland. Bei Lottum (dt. Limburg) fanden wir einen kleinen aber feinen Campingplatz und bauten unser Zelt neben einer Reihe Rosenbüsche auf. Das local brewed Limburger Bier ist "lekker" und es gibt große Gläser, sogar 0,5l, Respekt!

Tag 2

Lottum -> Garderen

Von Lottum gehts über Nijmegen (dt. Nimwegen) - die erste Durchquerung von Süd nach Nord dieses durch den WW2 bekannt gewordene holländische Städtchen - nach Garderen. Kennt man nicht ohne auf die Karte zu sehen aber dafür hats dort ein wirklich beeindruckendes Naturschutzgebiet. Wir campen beim "de wilde Blikk" und ich kann Klinsis Buben beim kicken gegen Costa Rica auf der Grossleinwand sehen. Weil für jedes Tor ein Bier her musste, warens am Ende vier, aber gut, hier sind die Gläser schon deutlich kleiner mit 0,2l. Das Bier war eine niederländische Fabrikplörre - wahrscheinlich aus vollsynthetischem Hopfen und mittels gentechnisch optimierter Bakterienstämme gegährt, ich will das lieber gar nicht näher wissen.

In Holland gibts tolle Radwege, wie hier eine Brücke über den Rhein

 

Tag 3

Garderen -> Den Helder

Lustig, diese Holländer, wer Land braucht schüttet einfach ordentlich Sand ins Meer und baut mächtige Dünen drumrum. Wir fuhren unsere bisher längste Einzeletappe über 148 km nach Den Helder, das liegt an der Nordsee in Westfriesland, ganz im Nordwesten. Teilweise zeigte der Höhenmeter (spassig in Holland mit Höhenmesser zu fahren, oder?) minus 8m an. So what !!! Hoffentlich kommt kein Zunami oder der Deich bricht, so unterhalb des Meeresspiegels kann das unangenehm werden. Das Meer verschohnte uns und dafür fuhren wir einfach drüber, übsers Ijsselmeer (Eismeer) - denn der Holländer baut einfach eine Strasse übers Wasser, glatte 28km lang, natürlich mit dem in Holland per Gesetz vorgeschriebenen superbreiten geteerten Radweg (Fietsepad auf dem auch gebrommelt werden darf). In der Mitte gibts ein griabigs Wirtshaus mit dem besten Cappuchino den ich bisher bekommen habe - ciao bella Italia, die Holländer zeigen euch wie man einen Cappo macht ... Nach dem Ijsselmeer ging der Track immer westwärst, satte 35° C (für solch ein Sommerwetter muß man eben nach Norden) der nicht untergehenden Sonne entgegen (sind wir soweit nördlich? Irgendwie sind die Tage hier deutlich länger).

Der fliegende Holländer fliegt ...

... übers Ijsselmeer ...

Tag 4

Texel Rundfahrt

Ruhetag, nach 148km am Vortag ... also fuhren wir nur lasche 79km um die Insel Texel herum, hier hats mächtige Dünen und es lohnt schon fast der Blick auf den Höhenmeter. Ausserdem kann man hier in der Nordsee schwimmen, sich von Krebsen in den Zeh beissen lassen (Autsch!!!) und bei Ebbe durchs Watt latschen, denn hier zieht sich das Meer alle sechs Stunden zurück und kommt dann wieder angeflutet - das nennt sich Ebbe und Flut und nicht Zunami. Am Abend musste ins Steakhaus eingefallen werden, richtig amerikanisches Flair und fette 400g T-Rex Scheiben (oder wie der Bayer sagt: An Rossn mit Senf - Ein Pferd mit Senf). Dazu ordentliches local brewed den Helder Fass-Bier, kann man trinken und schmeckt auch, 0,4l ist hier das größte Gefäss. Der Holländer ist eben kultiviert trinkt Bier nicht aus Eimern, wie der Bayer.

Die Kanonenlilli auf Texel, ob man die Rohre wohl mit

... Schafen fütterte ???

 

Tag 5

Den Helder -> Katwijk

Aus Schluss und vorbei mit der Schohnung, es geht weiter, einfach die Küste runter in Richtung Rotterdamm nach Katwijk. Katwijk ist ein Nordsee Urlaubsdomizil und es gibt wie in jedem Dorf über 100 Einwohner ein chinesischen Restaurant, dort sagen die Asiaten "las schmakkelen" und nachdem wir englisch deutsch holländisch Füsse und Hände benutzt haben, bekamen wir auch in etwa das zu Essen was wir bestellt haben. Dieser Tag nenne ich den Tag des Sattels. Denn dieses wichtige Teil des Fahrrades, welches man sicherlich nicht als Ersatzteil mit sich rumfährt, brach. So kamen wir unterwegs auf der Suche nach einem Radgeschäft doch noch nach Haarlem hinein, welches wir eigentlich unmfahren wollten und lernten, daß in Holland Fahrradgeschäfte bis auf wenige Ausnahmen normalerweise am Montag geschlossen sind. Da die Holländer gerne Hollandrad fahren, war im ersten offenen Radgeschäft auch kein Rennsattel zu bekommen. Zufällig kurz vor Katwijk bekam ich doch noch einen. Da der Laden meinen geliebten Terry Rennsattel (ergonomischer Spezialsattel um das gefürchtete Männerleiden zu verringern) nicht hatte, kaufte ich ein Billigteil für 11€ was sich überraschend als ausgesprochener Glücksgriff herausgestellt hat.

Sogar ein geocache konnte gehoben werden ...

Tag 6

Katwijk -> Woudrichem

Von Katwijk gehts über Den Haag, Rotterdamm, Dordrecht nach Woudrichem. Da wir im Gewusel niederländischer Großstädte nicht so recht vorwärts kamen, sind wir ein Stückchen auf der Waal mit einer Expressfähre gefahren (nennt sich Waterbus und fährt gegen die Ströhmung mit unglaublichen 42km/h und einer irrsinns Beschleunigung !!!). Trotzdem haben wir dann in Gornichem die letzte Fähre über die Waal (so heisst der Rhein in Holland) zum einzigen Campingplatz in dieser Gegend nach Woudrichem verpasst. Was tun? Die nächste Brücke viele km weit weg, deutlich über 100km in den Beinen und kein Campingplatz auf dieser Seite der Waal. Zum Glück gibts in Holland Wassertaxis und damit kamen wir dann doch für 10€ mit den Rädern über den Fluss. Woudrichem ist ein wirklich sehenswertes mittelalterliches Städtchen und in einem türkischen Lokal gabs auch wieder Fussball (nunja, wenn man das als Fussball bezeichnen will was Brasilien zur Zeit liefert), aber kein Bier.

Radfahrer only !!! Ein reiner Radweg-Tunnel unter die Maas durch bei Rotterdamm

Holland ist auch ein Blumenland und hat ganz besondere Röschen

Tag 7

Woudrichem -> Kleve

Es wird immer düsterer und schwere Gewitterwolken ziehen auf, das Endziel dieser Etappe war Kleve, das ist schon wieder in Deutschland. Nijmegen querten wir nun von West nach Ost zum zweiten Mal dieser Reise. Diesmal wollen wir wegen dem unbeständigen Wetter nicht campen sondern in einem Hotel nächtigen, wir geben 2€ mehr aus und bekommen dafür ein Zimmer mit TV in der Innenstadt von Kleve, denn Klinsis Kicker wollen die Polen vom Platz fegen, nunja, in allerletzter Minute (Nachspielzeit) fiel endlich das befreiende 1 : 0. Das Bier gabs diesmal aus dem Supermarkt und schmeckte auf dem Hotelbett auch ganz gut, zusammen mit den Chips - was man eben so braucht, wenn mann Fussball gucken will. Während ich das Spiel relativ gelassen beobachtete, bekam meine Freundin fast einen Herzkasper, so hat dieses Spiel sie mitgenommen.

Irgendwo in Kleve fand mein Schatz einen Nebenbuhler. Bin ich eifersüchtig? Ganz bestimmt nicht !

Tag 8

Köln -> Koblenz

Gruselwetter wie im November. Daher beschlissen wir ein kleines Stück mit dem Zug nach Köln zu fahren und tatsächlich ist dann das Wetter dort auch deutlich besser. Wir schaffens bis nach Koblenz und übernachten auf einem Campingplatz direkt gegenüber vom deutschen Eck. Koblenz hat eine Brauerei und so gabs Kellerbier, sogar 0,5l Flaschen, na wer sagts denn, geht doch ... Wir überlegen wie es weitergehen soll, die Mosel nach Trier hoch oder am Rhein weiter? Wir haken die Mosel ab, da es ab Cochem keine Zughaltestelle mehr bis Trier gibt. Überrascht und richtig schlechtes Wetter, müssen etwa 150km gefahren werden. Am Rhein gibt es überall eine Zughaltestelle für den Notfall.

Ums Eck vom Kölner Dom gibts fast 2000 Jahre alte Römerruinen ...

... und in Bonn gabs mal eine Regierung, das ist nicht ganz solange her ...

Tag 9

Koblenz -> Mainz

Strahlend schönes Wetter, sah ja nicht danach aus ... Von Koblenz gehts nach Mainz, vorbei an der Loreley und durch die Weinberge (ein Blick auf den Höhenmeter zeigt dem bajuwarischen Alpenbezwinger, auch hier kanns zur Sache gehen, wenn man will), Am Campingplatz gibts Kölsch und einen Leberkäs. Zweiteres war so ziemlich der grausligste Leberkäs den ich je gegessen habe, den hätten nicht mal die Fische haben wollen. (oder wie der Bayer sagen würde: den frisst d'Sau a' ned)

Tag 10

Mainz -> Mannheim

Die letzte Etappe geht etwas abseits des Rheins über Worms nach Mannheim. In Ludwigshafen mussten wir die BASF Werke umfahren, das bedeutet ordentlich km, denn das BASF-Gelände ist wirklich gigantisch gross. Wir bekamen tatsächlich eine super Zugverbindung nach München und so waren wir am Samstag abend schon wieder zu Hause.

SCHADE!!!! Ich wäre gern noch weitere 1000km geradelt, aber so ists nunmal - die Arbeit ruft und der Urlaub ist begrenzt.

Holland ade ...

Anmerkungen zum Radfahren in Holland:

Bereits in den 50ger Jahren wurde in Nordholland ein 400km langes Radwegenetz gebaut. Dabei legte man Wert auf die verschiedenen Bedürfnisse des Radlers, also schnelle Strecken für den täglichen Weg zur Arbeit, schöne Rundfahrten für Touristen und auch Fernradwanderwege. Aus dieser Anfangszeit resultiert auch ein Gesetz, welches vorschreibt, daß entlang aller größeren Strassen (auch Autobahnen!) ein Radweg gebaut werden muß. Das schont natürlich die Nerven der Autofahrer da langsame und oft nebeneinander fahrende Radler den Autoverkehr nicht behindern und die Nerven des Radfahrers erst recht, ganz entspannt kann dieser auf geteerten von Fussgängern befreiten superbreiten Radwegen auch höhere Geschwindigkeiten fahren.

In Holland darf man fast überall mit dem Fahrrad (und Mopped - Brommfietse) bei Rot rechts abbiegen, es gibt sogar eine ganz spezielle Ampelanlage dafür. Entgegen der Einbahnstrassen darf man auch fahren (radeln und brommen). In Holland gibt es reinen Radweg Kreisverkehr, sowieso hat fast jede Kreuzung einen Kreisel für den Auto und Radverkehr. Es gibt Rolltreppen auf Brücken, welche von Radfahrern benutzt werden dürfen und sogar einen reinen Radweg (brommen verboten) unter der Maas durch. Die Auschilderung der Radwege ist beispielhaft, grosse rote Schilder an jeder größeren Kreuzung zeigen den Weg - absolut gleichberechtigt mit den blauen Schildern für KFZ und genauso gross. Radwege führen mitunter bei fehlendem Kreisverkehr an Kreuzungen auf die Mitte der Autostrassen, damit ein nach rechts abbiegender Autofahrer den Radler nicht übersehen kann, auch das ist beispielhaft. In Deutschland wird das schon seit langen diskutiert, aber aus Geldmangel nicht durchgeführt - wie viele Radler müßen noch an diesen gefährlichen Rechtabbiegerstellen umkommen bevor da wirklich was passiert? Man kann daher sagen, Holland und im Besonderen Nordholland ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man sichere und sogar Rennrad taugliche Radwege baut und wie Radfahrer mit den Autofahrern in friedlicher Koexistenz am Verkehr teilnehmen können ohne sich gegenseitig zu behindern oder zu gefährden.

Ein Beispiel für typisch deutsche grottenschlechte Verkehrsplanung wie man sie fast überall in unserem Land beweinen kann ist der Grenzübergang nach Deutschland zwischen Nijmegen und Kleve, dort mündet die holländische Schnellstrasse N325 nahtlos in die Bundesstrasse B9. Auf der zweispurigen N325 gibt es beidseits einen ebenfalls zweispurigen Radweg, der natürlich auf deutscher Seite endet, hier fährt der Radler dann direkt am Strassenrand der B9, evtl je nach gewählter Strassenseite auch noch als Geisterfahrer oder man muß die B9 überqueren, das ist absolut lebensgefährlich. Auf der B9 fahren die Autofahrer recht hohe Geschwindigkeiten (und warum auch nicht ...) - leider ist kaum Platz zum ausweichen bzw. überholen der Radfahrer. Sinnigerweise führt neben der B9 ein brauchbarer asphaltierter Landwirtschaftsweg, blöd ist, daß man von der B9 mangels Ausfahrt und dank Böschungen und Leitplanken nicht den Hauch einer Chance hat die Strasse zu verlassen um auf dem kleinen Wirtschaftsweg weiterzufahren - den kann man sich 12km lang anschauen, bevor man endlich von der B9 runter kommt. Ein Vorteil hat das, der radelnde Mensch merkt sofort das er wieder in schwarzrot Dumm-Pisaland ist und kann sich entsprechend verkehrstechnisch gewohnt warm anziehen.

--- Armes Deutschland!!!